Maria und Jesus als Ikonen.

Lasst uns die gegenwärtige Gnade üben

In Wochen der Krankheit las ich die Briefe des hl. Ignatius von Antiochien. Er war der zweite oder dritte Bischof dieser Christengemeinde. Hier in Antiochien in Syrien wurden die Jünger Jesu zum ersten Mal Christen genannt. Um das Jahr 107 wurde der Bischof Ignatius bei einer Christenverfolgung in einer Soldatengruppe nach Rom gebracht, wo das Martyrium ihm bevorstand. Auf dem Weg durch Kleinasien war es ihm möglich, an den Rastplätzen Briefe an die jungen Christengemeinden in der Nähe zu schreiben. Diese Briefe, ganz aus dem Augenblick geschrieben, sind ein lebendiges Zeugnis der ganz frühen Kirche aus der Zeit der zweiten Generation der Christen, einer Zeit also, da, wie Hieronymus sagt, die Erde noch warm war vom Blut Christi.
In dem Brief an die Gemeinde von Ephesus schreibt Ignatius: „Lasst uns die gegenwärtige Gnade lieben!“ Das schreibt ein Mann, der gefesselt in einer Soldatenkohorte auf dem Weg ins Martyrium ist. Offenbar sieht er in dem, was gegenwärtig mit ihm geschieht, ein Angebot der Gnade. Und wirklich schreibt er sofort nach diesem Satz: „Ich trage in Christus die Fesseln herum, die geistlichen Perlen, in denen mir die Auferstehung zuteil werden möge.“ Er hat die Glaubenskraft, die Fesselung als Bindung zu sehen an Christus, den Auferstandenen, dessen Schicksal er teilen wird.
„Lasst uns die gegenwärtige Gnade lieben.“ Er sagt nicht: Lasst uns das Angebot der Stunde ergreifen oder nutzen, sondern er sagt: „lieben“! Und in diesem „Lieben“ klingt etwas Personales mit, denn lieben kann man zuletzt nur ein Du. Und für Ignatius ist dieses Du Christus. Und tatsächlich geht dieses Wort „Lasst uns die gegenwärtige Gnade lieben“ bei Ignatius so weiter: „Um nur in Christus Jesus erfunden zu werden zum wahren Leben“.
Ignatius will uns sagen: Nimm doch wahr, wie in deiner jetzigen Lebenssituation Christus dir nahe sein will. Nimm doch wahr, wie du in dieser Lebensstunde Verbundenheit, Verwandtschaft, Gesinntheit mit Christus finden kannst!

Es gibt ein kleines Gedicht des Dichters Andreas Gryphius, der in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges gelebt hat:

Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen,
Mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen;
Der Augenblick ist mein, und nehm ich den ich acht,
So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.

Auch hier ist der Anruf: Nimm die gegenwärtige Stunde wahr, in ihr ist das Angebot der Ewigkeit. Aber das Wort von Ignatius „Lasst uns die gegenwärtige Gnade lieben“, es hat einen anderen Klang. Es hat von seinem ganzen Zusammenhang her eine einzige Beziehung: Jesus Christus! Jetzt, in dieser deiner Lebensstunde, will dir Christus nahe sein. Nimm es wahr in liebender Aufmerksamkeit, in liebender Wachsamkeit. In seiner Nähe liegt Leben, liegt Auferstehung.

Cookie-Einstellungen

Bitte wählen Sie aus, welchen Cookie-Kategorien Sie zustimmen möchten.