
Liebe gegen Angst
Gott setzt gegen die Welt der Zwänge nicht einen anderen Zwang. Was tut er? Er beginnt die Befreiung damit, dass er selbst zunächst einmal ein kleines Kind wird, dass er also das genaue Gegenteil von dem tut, was zwingen heißt: Er vertraut, er vertraut sich uns an, obwohl wir Sünder sind, mit der Vertrauensseligkeit des vollkommen schutzlosen und bedürftigen Kindes.
Der ein Kind wird, nimmt uns die Angst. Er befreit uns von einer falschen Gottesvorstellung, eben jener, die aus unseren Zwängen kommt. Solange wir selber eng und hart sind, sprechen wir wie jener Harte im Verwaltergleichnis, der sich nicht ergreifen lässt von dem Vertrauen, das sein Herr in ihn setzt, und darum fortfährt, sein eigenes Bild in ihn hineinzutragen: „Ich wusste, dass du ein harter Mann bist.“ In dem Augenblick aber, da wir zu lieben beginnen, weil da ein Kind ist, das unsere Liebe braucht – in diesem Augenblick öffnet sich unser Herz für das wahre Gottesbild, das in dem Kinde offenbar wird: in dem Kind, das seine Arme uns entgegenbreitet.
Alles Harte, alles Gewaltsame in unserem Wesen – ach das Gewaltsame ist ja oft nur Ausdruck unserer Angst – schmilzt vor dem Kind, das nur einer Sprache fähig ist, nur sagen kann: Ich vertraue dir, liebe mich! Sobald dieses Wort unser Herz berührt, es bezwingt mit jenem holden Zwang, der in Wahrheit allen Zwanges himmlischer Widersacher ist, vergeht jede Angst. Der Gott, vor dem wir Angst hatten – mein Gott! –, er wurde ein kleines schwaches Kind. Und da wir es an unser Herz nehmen dürfen, zeigt es uns, dass Gott größer ist als unser Herz und alles weiß.
Beitragsbild: © Mark Lavapie